Maximalauftrieb von Tragfliigeln

In den bisherigen Abschnitten dieses Kapitels wurde fiir die Theorie des Auftriebes das stromende Medium als inkompressibel und reibungs – los angenommen. Die hieraus entwickelte Tragfliigeltheorie stimmt im Bereich kleiner und maBiger Anstellwinkel gut mit Messungen uberein, vgl. hierzu z. B. die Abb. 7.39; 7.42; 7.43; 7.47; 7.48 und 7.49. Erst im Bereich groBer Anstellwinkel wird der EinfluB der Reibung fur den Auftrieb wesentlich. Insbesondere wird der maximale Auftriebsbeiwert eines Tragfliigels auBer durch seine geometrischen Daten durch den Ein­fluB der Reibung sehr wesentlich bestimmt. Die Ermittlung des maxi – malen Auftriebsbeiwertes eines Tragfliigels ist auf rein theoretischem Wege bisher noch nicht moglich.

Auf Grund von Messungen ist bekannt, daB der maximale Auftriebs­beiwert stark abhangig ist von den geometrischen Profilparametern

(Dicke, Wolbung, Nasenradius) und von der Reynoldsschen Zahl. Hieniber wurde in Кар. 6.4 bereits kurz berichtet (Abb. 6.39; 6.42; 6.43 und 6.44). Es moge zu diesen friiher mitgeteilten Ergebnissen noch be – merkt werden, daB die Frage des Maximalauftriebes eines ungepfeilten Tragflugels im wesentlichen ein Problem der zweidimensionalen Stromung ist. Bei Tragfliigeln endlicher Spannweite kann bei ungepfeilten Fltigeln ein groBes Seitenverhaltnis keinen nennenswerten EinfluB auf die Ab – losung der Stromung und damit auf den Hochstauftrieb haben, weil in diesem Fall fxir den iiberwiegenden Teil des Fliigels die Stromung von der ebenen Stromung nur wenig verschieden ist. Anders liegen die Verhalt – nisse bei Flugeln mit kleinem Seitenverhaltnis, weil hierbei die Rand – umstromung bis in die Tragfliigelmitte himibergreift. Bei stark nach ruckwarts gepfeilten Flugeln, zu denen auch der Deltafliigel gehort, sind

Abb. 7.85. Maximale Auftriebs – beiwerte von Rechteckflugeln (ф — 0) und Pfeilfliigeln konstan – ter Tiefe (ф Ф 0), Reynolds-Zahl Re & 106.

a) Maximaler Auftriebsbeiwert ca max in Abhangigkeit vom

Seitenverhaltnis Л;

b) Anstellwinkel <x bei Ca max in AbMngigkeit vom Seitenverhalt­nis Л.

Kurve 1: ф = 0°; Profil КАСА 0015 nach [7];

Kurve 2: ф = 45°; Profil КАСА 0012, nach [76];

Kurve 3: ф = 0°; <5 ^ 0,10; Mittelwerte verschiedener Mes – sungen;

Kurve 4: ф = 35°; <5 tv 0,10; Mittelwerte verschiedener Mes – sungen.

die Stromungsverhaltnisse dadurch besonders kompliziert, daB die Vor – derkante hierbei in ahnlicher Weise wirkt wie die Seitenkante eines un- gepfeilten Rechteckfliigels. Fur solche Fliigel ist auch die nicht abgeloste Stromung erheblich schwieriger zu iibersehen als beim ungepfeilten Fliigel, weil in der Grenzschicht die Stromungsrichtung unter Um – standen von derjenigen der AuBenstromung abweicht (Abwandern der Grenzschicht nach auBen, Grenzschichtzaun Abb. 4.53).

Im Gegensatz zum ungepfeilten Fliigel hat man beim stark gepfeilten unverwundenen Fliigel die erste ortliche Ablosung an der Fliigelspitze, weil dort die Auftriebsbelastung am groBten ist, vgl. Abb. 7.46. Mit wachsendem Anstellwinkel dehnt sich das abgeloste Gebiet in Spann – weitenrichtung nach innen aus. Diese Verhaltnisse werden in [22] naher beschrieben.

Im folgenden soil an Hand einiger MeBergebnisse tiber den EinfluB des Seitenverhaltnisses und des Pfeilwinkels auf den maximalen Auf- triebsbeiwert berichtet werden.

In Abb. 7.85 sind Ergebnisse fur den maximalen Auftriebsbeiwert fur Rechteckflugel und Pfeilflugel konstanter Tiefe (cp = 45°) dargestellt. Die Reynoldsschen Zahlen dieser Messungen liegen bei etwa Re = 106. Dureh Abb. 7.85a wird bestatigt, daB der maximale Auftriebsbeiwert fur Л > 2 nahezu unabhangig ist vom Seitenverhaltnis. Fiir sehr kleine Seitenverhaltnisse ist cAmax etwas groBer als bei den groBen Seitenver-

Abb. 7.86. Auftriebsbeiwerte cA in Abhangigkeit vom Anstellwinkel л fiir Deltafliigel von verschie – denem Seitenverhaltnis Л, Zuspitzung Л = 1/8, Dickenverhaltnis б = 0,12, Reynolds-Zahl

Re ™ 7 • 105, nach [76].

haltnissen. Besonders auffallig ist in Abb. 7.85b, daB der Anstellwinkel, bei welchem der maximale Auftriebsbeiwert erreicht wird, fiir Seiten – verhaltnisse Л <2 sehr stark ansteigt und Werte um etwa oc — 30° erreicht.

Eine sehr umfangreiche Zusammenstellung liber das Verhalten von Pfeilfliigeln bei groBen Auftriebsbeiwerten und hohen Reynoldsschen Zahlen ist von G. C. Furlong und J. G. McHugh [12] gegeben worden.

In Abb. 7.86 sind fiir eine Serie von Deltaflilgeln die Kurven des Auftriebsbeiwertes iiber dem Anstellwinkel dargestellt. Mit abnehmen – dem Seitenverhaltnis Л wird der Auftriebsanstieg erheblich kleiner, wahrend der maximale Auftriebsbeiwert und der dazugehorige An­stellwinkel anwachsen. Die Auftriebsanstiege dcAldoc dieser Fltigel wurden bereits in Abb. 7.42 angegeben. Maximale Auftriebsbeiwerte max fiir diese und weitere Deltafliigel (Dreieckflugel) sind in Abb. 7.87a in Abhangigkeit vom Seitenverhaltnis wiedergegeben. Im Ver-

Abb. 7.87. Maximaie Auftriebsbeiwerte von Dcltaflugeln, Reynolds-Zahl Re ^ 10®. a) Maximaler Auftriebsbeiwert cA max in Abhangigkeit vom Seitenverhaltnis Л; b) Anstellwinkel <x bei ca max in Abhangigkeit vom Seitenverhaltnis Л. Kurve 1: Dreieckflugel; Я = 0; Profil NACA 0012 nach [48];

Kurve 2: Dreieckflugel; Я = 1/8; Profil NACA 0012 nach [76];

Kurve 3: Mittelwerte verschiedener Messungen.

gleich mit Abb. 7.85a erkenrit man, daB fiir Deltafliigel der Anstieg von сАтак bei kleinen Seitenverhaltnissen erheblich groBer ist als bei Rechteckfliigeln und Pfeilfliigeln. Auch Abb. 7.87b zeigt in tlberein – stimmung mit Abb. 7.85b eine starke Zunahme von ac bei den

A max

kleinen Seitenverhaltnissen. Experimentelle Untersuchungen liber das AbreiBverhalten von Deltafliigeln mittels einfacher Nachlaufmessungen wurden von E. Trtjckenbrodt und E. G. Feindt [78] durchgefiihrt.

Bei Deltafliigeln von kleinem Seitenverhaltnis mit scharfer Vorder- kante tritt schon bei sehr kleinen Anstellwinkeln (a = 3°) eine Stro-

Abb. 7.88. Aufplatzen der freien Wirbel eines Deltaflugels nach D. Hummel [25].
Seitenverhaltnis Л = 0,78, Zuspitzung A = 0,125.

a) Wirbelbildung schematisch;

b) a = 20°, P = 0°, kein Aufplatzen;

c) a = 30°, P — 0°, Aufplatzen der Wirbel bei hohen Anstellwinkeln;

d) a = 20°, P = — 10°, Aufplatzen eines Wirbels beim schiebenden Fltigel;

e) a = 20°, P = 0°, Aufplatzen eines Wirbels durch kiinstlichen Druckanstieg.

mungsablosung an der Vorderkante nach der Art von Abb. 7.88 auf. Es bilden sich an den beiden Vorderkanten zwei Wirbelschichten, welche an der Fliigelspitze beginnen, sich stromabwarts aufrollen und als freie Wirbel nach hinten abgehen.

Diese Erscheinung wurde zuerst von R. Legendre [50] diskutiert und ist in zahlreichen weiteren Arbeiten behandelt worden [6], [11], [25],

[45] , [87]. Das Aufrollen der Wirbelflachen wurde von M. Roy [65] und K. W. Mangler und J. H. B. Smith [54] theoretisch untersucht und von M. Roy durch zahlreiche Stromungsaufnahmen im einzelnen verfolgt. Unter gewissen Umstanden kann man eine auffallende Veranderung der Struktur der aufgerollten Wirbelflachen beobachten, die man als Aufplatzen der Wirbel bezeichnet. In Abb. 7.88b bis e sind Rauchauf – nahmen dieser Erscheinung nach D. Hummel [25] dargestellt. Das Auf­platzen der Wirbel tritt auf (1.) bei symmetrischer Anstromung bei groBen Anstellwinkeln, Abb. 7.88c, (2.) beim schiebenden Fliigel in dem Wirbel auf der vorgehenden Seite, Abb. 7.88d, und (3.) beim Einbringen eines Hindernisses in die Wirbelstromung, Abb. 7.88e. Das Aufplatzen der Wirbel hat naturgemaB einen starken EinfluB auf die aerodynami – schen Eigenschaften des Deltaflugels, man vergleiche hierzu [26], [27], [28], [28a], [46]. Von H. Ludwieg [52], [53] wurde gezeigt, daB das Aufplatzen der Wirbel bei einem schlanken Fltigel in engem Zusammenhang steht mit der Stabilitat einer reibungslosen, rotationssymmetrischen Stromung im Ringraum zwischen zwei konzentrischen Zylindern; man vergleiche hierzu auch eine Arbeit von A. Das [8].

Eine zusammenfassende tlbersicht uber die neueren Ergebnisse der Aerodynamik des Tragfliigels wurde kurzlich von H. Schlichting [67] gegeben.