Aerodynamik des Tragfliigels (Teil II)
VII. Tragfliigel endlicher Spannweite
bei inkompressibler Stromung
7.1 Grundzuge der Prandtlschen Tragfliigeltheorie
7.11 Wirbelsystem des Tragfliigels endlicher Spannweite
Beim Tragfliigel unendlicher Spannweite ist die Stromung in alien Schnitten senkrecht zur Fliigelquerachse gleich. Diese ebene (zwei- dimensionale) Stromung wurde in der Profiltheorie, Кар. VI, ein – gehend behandelt. Beim Tragfliigel endlicher Spannweite (Abb. 7.1) ist jedoch die Stromung dreidimensional, da die Druckunterschiede zwischen Unter – und Oberseite des Fliigels sich an den Fliigelenden aus – gleichen und dadurch eine Umstromung der Fliigelenden hervorrufen. Dieser Druckausgleich um die Fliigelenden, der in Abb. 7.1b schematisch dargestellt ist, bewirkt fiir die Stromfaden oberhalb des Fliigels eine Ab – lenkung nach innen und fiir diejenigen unterhalb des Fliigels eine solche nach auBen (Abb. 7.1a). Somit haben die Stromfaden, welche hinter dem Tragfliigel wieder zusammentreffen, einen Richtungsunterschied. Sie bilden eine sogenannte Trennungsflache mit Einwartsstromung auf der Oberseite und Auswartsstromung auf der Unterseite (Abb. 7.1c). Die Trennungsflache hat das Bestreben, sich weiter stromabwarts aufzurollen (Abb. 7.Id) und zwei diskrete Wirbel mit entgegenge – setztem Drehsinn zu bilden, deren Achsen nahezu mit der Anstro- mungsrichtung zusammenfalien (Abb. 7.1e und f). Diese beiden Wirbel haben die Zirkulationsstarke Г. Auf diese Weise erhalt man hinter dem Tragfliigel zwei sogenannte freie Wirbel, die von den Fliigelenden abgehen und nach Abb. 7.2 zusammen mit dem gebundenen Wirbel den,,Hufeisenwirbel“ bilden. Dabei ersetzt der gebundene Wirbel die Zirkulation des Tragfliigels, wie sie beim ebenen Problem (Кар. VI) zur Berechnung des Auftriebes zugrunde gelegt wird. Bei der Zuordnung des tragenden Wirbels zur Geometrie des Tragfliigelgrundrisses legt man zweckmaBigerweise den gebundenen Wirbel in die Verbindungslinie
1 Schlichting/Truckenbrodt, Aerodynamik, Bd. II, 2. Aufl.
H. Schlichting et al., Aerodynamik des Flugzeuges © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2001
der Einviertelpunkte der ortlichen Fliigelsehne. Ein ungepfeilter, sym – metrisch angestromter Fliigel wird somit durch eine senkrecht zur An-
stromrichtung verlaufende gebundene Wirbellinie dargestellt. Das Modell des Hufeisenwirbels hatte sich auch bereits in Кар. 2.443 nach dem Helmholtzschen Wirbelsatz fur reibungslose Stromungen ergeben (Abb. 2.47). Die Aufklarung der dreidimensionalen Stromungsvorgange an Tragfliigeln endlicher Spannweite ist auf Grund dieser Vorstellung in quantitativer Form zuerst von L. Prandtl [61] gegeben worden, nachdem schon vorher F. W. Lanchester [47] einige qualitative tlber – legungen hierzu gemacht hatte.