Nichtlineare Tragfliigeltheorie
Die bisher in diesem Kapitel behandelte Tragfliigeltheorie liefert einen linearen Zusammenhang zwischen dem Auftriebsbeiwert imd dem Anstellwinkel. Man bezeichnet sie deswegen als lineare Tragfliigel – theorie. Aus experimentellen Untersuchungen ist bekannt, daB bei Fliigeln von sehr kleinem Seitenverhaltnis, etwa fiir A < 1, die Kurven des Auftriebsbeiwertes cA iiber dem Anstellwinkel a von der linearen Theorie nach oben betrachtlich abweichen. Abb. 7.49 zeigt diese Er – scheinung fiir Rechteckfliigel mit den Seitenverhaltnissen A = 0,2; 0,5;
1,0 und 5,0 nach einer Zusammenstellung von K. Gebsten [15], [17]. Die gestrichelt eingetragene theoretische Kurve entspricht der linearen Tragflachentheorie, wie sie vorstehend besprochen wurde. Wahrend die
lineare Theorie den Auftriebsanstieg (dcAldoc)^=0 auch bei kleinen Seitenverhaltnissen noch richtig wiedergibt, weichen schon bei kleinen Anstellwinkeln die Messungen stark von dem linearen Verlauf ab.
Allen bisher besprochenen Tragfliigeltheorien liegt die ver- einfachte Vorstellung zugrunde, daB die gebundenen und freien Wirbel sich in der gleichen Ebene befinden. ffieraus folgt zwangs – laufig ein linearer Zusammenhang zwischen Auftrieb und Anstell – winkel. Will man den nichtline- aren Zusammenhang zwischen Auftrieb und Anstellwinkel theo – retisch erklaren, so muB man dieses stark vereinfachte Wirbel – modell verlassen. Ein erster Ver- such in dieser Richtung stammt von W. Bollay [5]. Er verwendet ein Wirbelmodell nach Abb. 7.50 a, bei welchem die freien Wirbel nicht mehr in einer Ebene liegen, son – dern an den Seitenkanten unter dem Winkel ocj2 zur Flugelebene nach hinten abgehen. Bei Bollay werden die gebundenen Wirbel langs der Spannweite als konstant angenommen. K. Gersten [15] hat dieses Wirbelmodell dadurch verfeinert, daB er eine uber die Spannweite veranderliche Zirku – lationsverteilung zugrunde legt,
Abb. 7.50b. Die nach dieser Theorie berechneten c^(&)-Kur – ven sind in Abb. 7.49 als aus- gezogene Linien eingetragen. Sie stimmen sehr gut mit den Messungen uberein. Nach dieser Theorie Abb. 7.49. Gemessene Auftriebsbeiwerte cA in Ab-
Mngigkeit vom Anstellwinkel a ftir Rechteckfltigel
vom Seitenverhalfcnis Л — 0,2; 0,5; 1,0 und 5,0
aus [15].
– j j. л j, . _ Kurve 1: lineare Theorie nach Scholz [70];
Stand und ше Auitriebsvertei – Kurve 2: nichtlineare Theorie nach Gersten [15].
lung langs Spannweite ermittelt worden, wobei sich auch hier gute Ubereinstimmung zwischen Messung und Theorie ergibt [17]. Die in
Abb. 7.50. Wirbelmodell der nichtlinearen Tragfltigeltheorie.
a) Wirbelmodell nach Bollay [5]; b) Wirbelmodell nach Gersten [15].
Abb. 7.51. Auftriebsbeiwert von gepfeilten Fldgeln mit scharfer Vorderkante und kleinem Seitenverh<nis in Abh&ngigkeit vom Anstell – winkel nach [17].
……… Lineare Theorie,
nach Gl. (7.121);
——— nichtlineare Theorie
nach Gersten [17]; О Messung.
a) Pfeilfltigel Л =1, Д = 1, q> = 45°;
b) Deltafliigel Л = 0,78,
Я = 1/8. [15]
Deltaflugel die nach dieser Theorie ermittelten cA (a)-Kurven und den Vergleich mit Messungen.
Aus Versuchsergebnissen ist bekannt, daB fur Fliigel von kleinem Seitenverhaltnis die aerodynamischen Beiwerte auch stark abhangig sind von der Ausbildung der Fliigelvorderkante. Dieses gilt vor allem fur Pfeil – und Deltaflugel, bei denen eine scharfe Fliigelvorderkante lokale Ablosung verursacht, die zur Ausbildung eines freien Wirbel-
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Abb. 7.52. Ablosung und Wirbelbildung an
einem Deltaflttgel von kleinem Seifcen-
verMlfcnis mit scharfer Vorderkanfce.
paares fiihrt, Abb. 7.52. Diese Vorgange sind sowohl fiir den Auftrieb und das Nickmoment als auch fiir den Widerstand von Bedeutung.
Weitere Untersuchungen iiber die nichtlinearen Effekte bei Tragfliigeln mit kleinem Seitenverhaltnis, insbesondere bei Deltafliigeln findet man in [6], [14], [17], [24], [50], [54], [71] und [85].