Profiltheorie bei tlberschallgeschwindigkeit
8.131 Lineare Theorie bei tJberschallgeschwindigkeit (Ackeret).
Ebenso wie bei Unterschallgeschwindigkeit laBt sich die Berechnung der reibungslosen, kompressiblen Stromung um schlanke Korper (Tragfliigelprofile) auch fur Gberschallgeschwindigkeit nach einer linearen Naherungstheorie ausfiihren, wie in Кар. 3.33 gezeigt wurde. Die in Gl. (3.82) angegebene Unearisierte Potentialgleichung gilt sowohl bei Unterschall – als auch bei Uberschallgeschwindigkeit. Die Grundlagen dieser linearen Theorie fur Gberschallgeschwindigkeit, welche zuerst von J. Ackeret [1] angegeben wurden, sind in Кар. 3.51 bis 3.53 fur die ebene Stromung ausfiihrlich erlautert worden.
Der wesentliche Inhalt dieser linearen Theorie besteht darin, daB nach Gl. (3.122) die Storgeschwindigkeit и in x-Richtung nur von der Neigung & des Flachenelemeiites der Profilkontur gegeniiber der An – stromrichtung, von der Gesehwindigkeit und von der Mach-Zahl Ma abhangt:
u(x) = —f-— u„. (8.13a)
ІMa^ ~ 1
10 Schlichting/Truckenbrodt, Aerodynamik, Bd. II, 2. Aufl.
Fur die Geschwindigkeitskomponente w in z-Richtung folgt wegen der kinematischen Stromungsbedingung :
w(x) = – ФТ7" (8.13b)
Es bedeuten nach Abb. 3.26 &0 und &u die Neigungen der Kontur auf Ober – bzw. Unterseite des Profils gegen die Anstromrichtung. Diese betragen nach Abb. 8.12 und Gl. (3.136):
A>,.= ± (<*-£) (8.13 c)
mit oc als Anstellwinkel der Sehne und z{x) als Profilkontur.
Abb. 8.12. Zur Profiltheorie bei Uberschallgeschwindigkeit. |
Druckverteilung. Fiir den Druck an einem Flachenelement der Kontur gilt nach Gl. (3.135):
VoAx) – Poo = – &o, Ax)
– 1
mit Poo und poo als Druck bzw. Dichte der ungestorten Stromung.
Fiir den dimensionslosen Druckbeiwert ist also:
Hierin gilt das obere Vorzeichen fiir die Oberseite und das untere Vor – zeichen fiir die Unterseite des Profils. Mehrere Beispiele fiir hiernach berechnete Druckverteilungen wurden bereits in Abb. 3.23 angegeben. Fiir die weitere Auswertung von Gl. (8.14) ist es zweckmaBig, ebenso wie bei der Profiltheorie bei inkompressibler Stromung in Кар. VI, die Profilkontur aufzuspalten in den Profiltropfen und die SkelettUnie, ygl. Gl. (5.16):
z = — = Z<8>±Z<« und X = (8-15)
L l
Dabei sind wie friiher in Gl. (5.18) die Koordinaten mit der Profiltiefe l dimensionslos gemacht worden. Es gilt das obere Vorzeichen fiir die Oberseite und das untere Vorzeichen fiir die Unterseite des Profils.
Fur den Druckunterschied zwischen Unter – und Oberseite des Profils (Lastverteilung) gilt nach Gl. (8.14) mit Gl. (8.15):
Aerodynamische Beiwerte. Die aerodynamischen Beiwerte erhalt man in einfacher Weise durch Integration aus der vorstehend angegebe – nen Druckverteilung.
Der Auftriebsbeiwert ist nach Gl. (6.66):
і
cA = (Acp(X) dX = ■ 4 «, (8.17)
J 11 Мс& – 1
0
ygl. auch Gl. (3.132). Der hieraus sich ergebende Auftriebsanstieg dcAldoc = 4lyMa^ — 1 ist in Abb. 3.24a in Abhangigkeit von Ma^ dargestellt.
Aus Gl. (8.17) folgt, daB fur alle Profile die Nullauftriebsrichtung mit der Profilsehne (x-Achse) zusammenfallt.
Fiir den auf die Profilvorderkante bezogenen Momentenbeiwert (schwanzlastig positiv) ergibt sich nach Gl. (6.67)[31]:
Aus den Gin. (8.17) und (8.18) folgt sofort fur die Neutralpunktlage:
XN _ _ dcM __ l dcA 2
Es ist bemerkenswert, daB fiir alle Profile bei Uberschallgeschwindigkeit der Neutralpunkt im Abstand Z/2 von der Profilvorderkante Uegt, wahrend er bei Unterschallgeschwindigkeit sich im Abstand Z/4 von der Vorderkante befindet, vgl. Abb. 3.24b.
Wie bereits in Кар. 3.53 gezeigt wurde, ergibt sich bei tlberschall – geschwindigkeit schon in reibungsloser Stromung ein Widerstand, der sog. Wellenwiderstand. Fiir den Widerstandsbeiwert erhalt man nach Gl. (3.138):
Ersetzt man hierin nach Gl. (8.17) oc durch cA und nach Gl. (8.15) Z0fU durch Z^ und Z^ dann wird
(8.21)
Bemerkenswert ist, daB der gesamte Wellenwiderstand sich additiv aus drei Anteilen zusammensetzt. Der erste Anted ist proportional zu c und unabhangig von der Profflgeometrie. Dieser Anted ist in Abb.
3.24 c in Abhangigkeit von der Mach-Zahl dargestellt. Der zweite und dritte Anted sind unabhangig vom Auftriebsbeiwert und proportional zum Quadrat der relativen Wolbung bzw. der relativen Dieke. Hieraus folgt sofort, daB die ebene Platte das sogenannte „beste Gber – schallprofd“ ist, da fiir diese der zweite und dritte Anted gleich Null sind.
In Tab. 8.2 sind die Formeln fur die aerodynamisehen Beiwerte bei Gberschallgeschwindigkeit zusammengestellt.
Tabelle 8.2. Aerodynamische Beiwerte eines Profits bei Uberschallgeschwindigkeit nach der linearen Theorie (Ackeret).
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Beispiele. Der charakteristische Unterschied in der Druckverteilung fur Anstromung bei Uberschallgeschwindigkeit und Unterschallge- schwindigkeit ist in Abb. 8.13 fur das Beispiel der angestellten ebenen
Abb. 8.13. Druckverteilung und Krafte an der angestellten ebenen Platte bei kompressibler Strdmung.
a) Fur Unterschallgeschwindigkeit (Ma^ < 1);
b) fur Uberschallgeschwindigkeit (Ma^ > 1).
Platte erlautert, vgl. hierzu auch Abb. 3.27 a. Bei Unterschallgeschwindigkeit gibt nach Abb. 8.13 a die Druckverteilung eine resultierende Kraft N normal zur Platte, und auBerdem liefert die Umstromung der scharfen Vorderkante eine Saugkraft S, die langs der Platte nach vorn gerichtet ist, vgl. hierzu auch Кар. 2.563. Die resultierende Kraft aus der Normal – kraft N und der Saugkraft S ist der Auftrieb A, welcher senkrecht zur Anstromungsgeschwindigkeit steht. Die resultierende Luftkraft
besitzt keine Komponente parallel zur Anstromungsrichtung, mit anderen Worten, es ist der Widerstand bei reibungsloser Unterschall – stromung gleich Null. Bei tlberschallgeschwindigkeit, Abb. 8.13b, steht die resultierende Kraft aus der Druckverteilung N ebenfalls senkrecht auf der Platte. Da die Vorderkante jedoch nicht umstromt wird, ist in diesem Fall eine Saugkraft parallel zur Platte nicht vorhan – den. Die Normalkraft N stellt somit die gesamte Kraft bei reibungsloser Stromung dar. Ihre Zerlegung in Komponenten senkrecht und parallel zur Anstromungsrichtung ergibt den Auftrieb A = N cos oc ^ N und den Widerstand W = N sin ос & Aoc. Dieser Widerstand heiBt der Wellenwiderstand bei Vberschallgeschwindigkeit. Er entsteht infolge der Druckwellen (Machsche Linien), die von Vorder – und Hinterkante der Platte ausgehen.
Als weiteres Beispiel der Druckverteilung an Profilen bei tlberschallgeschwindigkeit sind in Abb. 8.14 ein bikonvexes Pardbelprojil
mit der Gleichung
Z® = 2^X(l-X)
und ein unendlich diinnes gewolbtes Parabelprofil mit der Gleichung
Z<*> = 4-f Z(1 – X)
l
gegeniibergestellt. Beide Profile werden sehnenparallel angestromt, oc — 0°. Infolgedessen ist nach Gl. (8.17) fur beide Profile cA = 0. Die nach Gl. (8.14) berechneten Druckverteilungen sind in Abb. 8.14 an-
Abb. 8.14. Druckverfceilung bei Uberschallgeschwindigkeit fur Parabelprofile bei sehnenparalleler Anstromung. a) Bikonvexes Tropfenprofil; b) Skelefcfcprofil. |
gegeben. Wahrend fiir das bikonvexe Tropfenprofil das Nullmoment gleieh Null ist, hat das Skelettprofil ein kopflastiges Nullmoment. Fiir den vom Auftrieb unabhangigen Anteil des Wellenwiderstandes ergibt sich nach Gl. (8.21):
cWo = —p== (4-У (Tropfen), (8.22 a)
ЗУМа^-l 1!
cWQ= . “ =(j)’ (Skelett). (8.22b)
ЗІМаїс-іКЧ
Hieraus erkennt man, daB beide Profile den gleichen Widerstand haben, wenn / = d/2 ist.
Weiterhin mogen noch einige Angaben iiber die Abgangigkeit des Wellenwiderstandes von der Dickenriicklage fiir Doppelkeilprofile und Parabelprofile gemacht werden. Die Geometrie der Parabelprofile wurde in Gl. (5.24) angegeben. In Tab. 8.3 sind die Ergebnisse zusammen – gestellt, und in Abb. 8.15 ist der von cA unabhangige Anteil des Wellenwiderstandes in Abhangigkeit von der Dickenriicklage aufgetragen. Fiir
Tabelle 8.3. Wdlenwider8tand bei Uberschallgeschwindigkeit fur Doppelkeilprofile
und Parabelprofile, nach [78], vgl. Abb. 8.15.
Bezeiehnung |
Doppelkeilprofil |
Parabelprofil |
||
Abbildung |
* Z L i V |
|||
Ч&- |
-—(g>—1 |
|||
Kontur: Z |
d X t – m = fur (I) 2 Xd [ 1 -У"""1 |
6 X(l-X) ~ 2 Xl+(t-2Xd)X |
||
Wellenwiderstand : І Mai, – 1 ^ |
1 – Xd(l – Xd) |
1 ~ 3*2(1 – xdf |
die Dickenrucklage Xd = 0,5 ist der Wellenwiderstand fur das Doppel – keilprofil
(8.23)
Der Widerstand dieses Doppelkeilprofils ist somit im Vergleich zum Parabelprofil (Xd = 0,5) um den Faktor f kleiner. Das Doppelkeil- profil (Xd = 0,5) ist bei vorgegebener Dicke das Profil mit kleinstem
Wellenwiderstand. Angaben fiir weitere Profilformen findet man in einer Arbeit von F. Wegener und F. Kowalke [78].
Angaben liber die iibrigen aerodynamischen Beiwerte, namlich Nullauftriebswinkel und Nullmoment, sind in Abb. 8.16 fur Skelett-
Abb. 8.16. Aerodynamische Beiwerte fiir gewolbte Skelettprofile bei Unter – und t)berschallgeschwin- digkeit. a) Nullauftriebswinkel a0; b) Nullmomentenbeiwert cM0. |
profile zusammengestellt. Dabei ist die Wolbungsriicklage Xf geandert worden. Die geometrischen Daten der Skelettlinie wurden in Gl. (5.24) angegeben. Zum Vergleich sind die Beiwerte fiir Unterschallgeschwindig – keit mit eingetragen. Abb. 8.16a zeigt den Nullauftriebswinkel und Abb. 8.16b das Nullmoment in Abhangigkeit von der Wolbungsriicklage. In beiden Fallen ist ein grundsatzlich verschiedenes Verhalten bei Unter – und Uberschallgeschwindigkeit festzustellen.
SchlieBlich moge noch die Anwendung dieser linearen Profiltheorie bei Uberschallgeschwindigkeit auf den Klappenfliigel gezeigt werden. In Abb. 8.17 sind die Beiwerte doc0ldrjk (Anderung des Nullauftriebs – winkels oc0 infolge Klappenausschlag f]k) und dcMoldr]k (Anderung des Nullmomentenbeiwertes cMo infolge Klappenausschlag rjk) in Abhangigkeit vom Klappentiefenverhaltnis lk/l angegeben. Zum Vergleich
sind auch die Beiwerte fur Unterschallgeschwindigkeit eingetragen.[32] Man vergleiche hierzu auch die Werte fur inkompressible Stromung nach
L
8.132 Hohere Naherungen beitlberschallgeschwindigkeit (Busemann).
Die vorstehende lineare Profiltheorie bei T)berschallgeschwindigkeit, bei welcher die Druckdifferenz (p — p^) proportional zur Profilneigung $ ist, ist spater von A. Busemann [9] zu einer Theorie hoherer Ordnung erweitert worden, indem Glieder mit #2 und #3 hinzugenommen wurden. Hieriiber wurde bereits in Кар. 3.53 berichtet.
Nach den Gin. (3.141) bis (3.143) ist:
Vo, и – Poo = – – Uio #o,„(l – £»„.•)
І Maio-l
mit
K = = J_ (Male — 2)2 + xMalc
~ Cj ~ 4 (Ma%, ~ 1)3/2 ’
In Gl. (8.24) stellt der Faktor vor der Klammer die lineare Theorie nach Ackeret, Gl. (8.13), dar, wahrend der Klammerausdruck den EinfluB der zweiten Naherung gibt. Die KorrekturgroBe К = K(Maoo) hangt nur von der Machschen Zahl ab und ist in Abb. 8.18 dargestellt.
Fiihrt man diesen Ausdruck in Gl. (8.17) ein, so ergibt sich nach Ausfuhrung der Integration fiir den Auftriebsbeiwert die gleiche Formel wie in Gl. (8.17). Dieses bedeutet, daB die zweite Naherung keinen EinfluB auf den Auftriebsbeiwert hat.
Setzt man in gleicher Weise Gl. (8.27 a) in (8.18) ein, dann erhalt man nach Aus – fiihrung der Integration fiir den Momentenbeiwert:
Das letzte Glied stellt das zusatzliche Moment infolge der zweiten Naherung dar. Es hangt vom Anstellwinkel und von der Profildicke ab. Wahrend das Nullmoment durch die zweite Naherung ungeandert bleibt, ergibt sich fiir die Neutralpunktlage:
1
^- = — -2K fzmdX. (8.29)
12 J
о
Dieses Ergebnis zeigt, daB unter Beriicksichtigung der zweiten Naherung der Neutralpunkt etwas vor dem Punkt x = I/2 liegt.
Die beschriebene zweite Naherung kann auch fiir die Berechnung des Wider – standsbeiwertes benutzt werden. Dabei ergeben sich fiir den vom Auftriebsbeiwert unabhangigen Anted des Wellenwiderstandes zusatzliche Glieder, die bei symmetri – schen Profilen proportional zu (d/l)z sind. Theoretische Widerstandsbeiwerte, die nach dieser Theorie zweiter Naherung berechnet wurden, sind in Abb. 3.28 mit Messungen von A. Busemann und 0. Walchner [8] verglichen worden. Dabei ergibt sich gute Gbereinstimmung zwischen Theorie und Messung.
Mit groBerer Genauigkeit als in der vorstehend geschilderten Theorie zweiter Naherung laBt sich die Uberschallstromung um diinne Profile nach dem Charakteristikenverfahren ermitteln. Die Grundziige dieses Yerfahrens wurden in Кар. 3.55 erlautert. Man vergleiche hierzu u. a. die zusammenfassenden Berichte von M. J. Lighthill [43] und A. Ferri
[17] .
Die in Кар. 8.12 und 8.13 besprochenen Naherungstheorien fur Stromungen mit Unterschall – bzw. Dberschallgeschwindigkeit ver – sagen beide, wenn die Anstromungsgeschwindigkeit nahezu gleich der Schallgeschwindigkeit ist (Ma^ ^ 1). Bei solchen transsonischen Stro – mungen treten meistens VerdichtungsstoBe auf, welche die theoretische Behandlung stark erschweren. In manchen Fallen findet jedoch auch ein stetiger Durchgang durch die Schallgeschwindigkeit (ohne Ver – dichtungsstoBe) statt. Im letzteren Fall sind die transsonischen Stro- mungen einer theoretischen Behandlung mittels Naherungsverfahren zuganglich. Hierbei ergeben sich nach v. Karman [37] Ahnlichkeits – gesetze fur die Druckverteilung und den Widerstandsbeiwert, die recht gut mit Messungen ubereinstimmen, wie in Кар. 3.62 dargelegt wurde. Eine ausfuhrliche Darstellung dieses Sondergebietes der kompressiblen Stromung hat K. G. Guderley [24] gegeben.