Stromungsmechanische Grundlagen zur Fliigel-Rumpf – Interferenz
Bevor wir uns im nachsten Abschnitt der quantitativen Berechnung der gegenseitigen Beeinflussung von Fliigel und Rumpf zuwenden, mogen hier einige physikalische Erlauterungen vorausgeschickt werden. Fiigt man Fliigel und Rumpf zusammen, so ergibt sich fur die Fliigel – Rumpf-Anordnung eine resultierende Stromung, bei welcher sich der Rumpf im Stromungsfeld des Fliigels und der Fliigel im Stromungsfeld des Rumpfes befindet. Es findet somit eine wechselseitige aerodyna – mische Interferenz zwischen Rumpf und Fliigel statt, derart, daB die Umstromung des Fliigels durch das Vorhandensein des Rumpfes und diejenige des Rumpfes durch das Vorhandensein des Fliigels geandert wird. Fur die rechnerische Ermittlung der Stromung um eine Fliigel – Rumpf-Anordnung kann man also so vorgehen, daB man zu den Stromungen um den Rumpf allein und den Fliigel allein die Inter – ferenzeinfliisse des Fliigels auf den Rumpf und des Rumpfes auf den Fliigel hinzufiigt. Diese Interferenzeinfliisse erhalt man durch Erfiillung
20 Schlichting/Truckenbrodt, Aerodynamik, Bd. II, 2. Aufl.
der kinematischen Stromungsbedingung (Verschwinden der Normal – komponente der Geschwindigkeit auf der Oberflache der Flugel-Rumpf – Anordnung).
Fair die symmetrische Anstromung einer Fltigel-Rumpf-Anordnung (Schiebewinkel ft = 0) ist in Abb. 10.5 das Stromungsfeld bei Unter-
Abb. 10.5. Symmetrische Anstromung einer Fltigel-Rumpf-Anordnung (schematisch). a) Stromung in der Flugzeug-Symmetrieebene und Anstellwinkelverteilung <x(x) auf der Rumpfachse; b) Stromung in einer Ebene senkrecht zur Rumpfachse und Anstellwinkelverteilung <x(y) l&ngs Flugelspannweite. |
schallgeschwindigkeit schematisch dargestellt. Abb. 10.5a zeigt den EinfluB des Fliigels auf die Umstromung des Rumpfes. Durch den Fliigel werden langs der Rumpfachse zusatzhche Geschwindigkeiten normal zur Rumpfachse induziert, die vor dem Fliigel nach aufwarts und hinter dem
Fliigel nach abwarts gerichtet sind. Im Bereich der Fliigel-Rumpf – Durchdringung verlauft die Stromung in Richtung der Fliigelsehne, was einer langs der Fliigeltiefe konstanten induzierten Abwartsgeschwindig – keit gleichkommt. Der Rumpf befindet sich somit in einer gekriimmten Stromung mit einer langs der Rumpfachse veranderlichen Anstellwinkel – verteilung oc(x), wie sie in Abb. 10.5a angegeben ist. Diese vom Fliigel am Rumpf induzierte Anstellwinkelverteilung laBt erkennen, daB der Rumpf durch die Interferenz ein zusatzliches schwanzlastiges Nick – moment erfahrt.
Der EinfluB des Rumpfes auf die Umstromung des Fliigels ist in Abb. 10.5b schematisch dargestellt. Die Komponente der Anstromungs – geschwindigkeit normal zur Rumpfachse sin ^ ocerzeugt in der Nahe des Rumpfes zusatzliche Aufwartsgeschwindigkeiten. In ihrer Wirkung auf den Fliigel konnen diese induzierten Geschwindig – keiten, die normal zur Fliigelebene sind, auch als eine zusatzliche langs Fliigelspannweite symmetrische Anstellwinkelverteilung (Verwindungs – winkel) aufgefaBt werden.
Fur die unsymmetrische Anstromung einer Fliigel-Rumpf-Anordnung ist das Stromungsfeld in Abb. 10.6 schematisch dargestellt. Die Umstromung der Fliigel-Rumpf-Anordnung mit dem Schiebewinkel kann man sich zerlegt denken in eine Anstromung in der Symmetrie – ebene mit der Geschwindigkeit U^ cos ^ ^ und in eine solche senkrecht zur Symmetrieebene mit der Geschwindigkeit sin /? ^ /9. Diese
letztere Komponente der Anstromung ergibt eine Querumstromung des Rumpfes, wie sie in Abb. 10.6b, c und d fiir eine Hoch-, Mittel – bzw. Tiefdecker-Anordnung dargestellt ist. Diese Querumstromung des Rumpfes ergibt am Ort des Fliigels eine zusatzliche langs Spannweite antimetrische Verteilung von Normalgeschwindigkeiten, welche einer antimetrischen Anstellwinkelverteilung oc(y) Equivalent ist. Die durch diese Anstellwinkelverteilung hervorgerufene Auftriebsverteilung langs der Spannweite des Fliigels ist dem Vorzeichen nach fiir den Hochdecker und den Tiefdecker verschieden. Das aus dieser antimetrischen Auftriebsverteilung resultierende Rollmoment (Schieberollmoment) ist fiir den Mitteldecker gleich Null, fiir den Hochdecker positiv und fiir den Tief – decker negativ. Diese Uberlegungen werden durch die MeBergebnisse in Abb. 10.2 bestatigt, welche zeigen, daB fiir den Hochdecker der Schiebe – rollmomentenanstieg Ъсъд(? groBer als fiir den Fliigel allein ist.
Der EinfluB des Rumpfes auf den Fliigel beim Schieben kann somit beim Hochdecker wie die Wirkung einer positiven V-Stellung und beim Tiefdecker wie diejenige einer negativen V-Stellung des Fliigels gedeutet werden.
d) Tiefdecker mit Anstell – winkelverteilung ot(y)
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