Schlanke Flugkorper

Wahrend in den bisherigen Abschnitten dieses Kapitels Fliigel- Rumpf-Anordnungen mit Fliigeln von groBem und mittlerem Seiten­verhaltnis betrachtet wurden, mogen jetzt Anordnungen mit Fliigeln von kleinem Seitenverhaltnis behandelt werden. Hierbei spielen die schlanken Dreieckfliigel (Delta-Fliigel) mit groBer Pfeilung eine besondere Rolle. Mit der Steigerung der Fluggeschwindigkeit in den letzten Jahr-

zehnten vom Untersehallbereich zum tTberschallbereich sind solche schlanken Flugkorper (Abb. 10.42) sehr wichtig geworden. Sie sind da – durch gekennzeichnet, daB ihre aerodynamischen Beiwerte zwar von der Machzahl weitgehend unabhangig sind, wahrend jedoch ihre Ab – hangigkeit vom Anstellwinkel in starkem MaBe nichthnear ist (vgl. Кар. 7.36 und Кар. 9.53).

Die von M. Munk [41] fiir schlanke Rumpfkorper und von R. T. Jones [21] fiir Fliigel von kleinem Seitenverhaltnis angegebene Theorie der Auftriebsberechnung ist von G. N. Ward [59] und J. R. Spreiter
[53] auf Flugel-Rumpf-Anordnungen mit Flugeln von kleinem Seiten – verhaltnis ausgedehnt worden, vgl. auch W. Jacobs [20]. Der Grund – gedanke der Theorie besteht darin, daB fur die Umstromung solcher schlanker Riimpfe und Fliigel die Storgeschwindigkeiten in der x-Rich – tung (Rumpfachse, Fliigellangsachse) gegemiber denen in der Querrich – tung (у – und z-Richtung) klein sind. Damit reduziert sich die dreidimen- sionale Potentialgleichung (8.40) auf diejenige der zweidimensionalen Stromung in der y, z-Ebene:

д2Ф д*Ф

ду2 dz2

Dabei sind v = дФ/ду und w = дФ/dz die induzierten Geschwindigkeiten in der Querebene. Da Gl. (10.59) sowohl fur die inkompressible als auch fur die kompressible Stromung gilt, sind die nachstehenden Ergebnisse anwendbar fur Unterschall – und Gberschallgeschwindigkeit.

L—/?7—► ——— *■

■m—- ftj — J

——— .«?* J

Уі

Abb. 10.43. Erl&uterungsskizze zur Theorie von Fltigel-Rumpf-Anordnungen mit Fltigeln von

kleinem Seitenverh&ltnis.

a) Skizzc der Fltigel-Rumpf-Anordnung; b) Querschnitt x = const; c) konforme Abbildung dee Querschnittes x = const von b).

Die Potentialgleichung (10.59) ist fur jeden Schnitt x — const zu losen (Abb. 10.43 a), was z. B. mit Hilfe der konformen Abbildung aus – geftihrt werden kann. Die Umstromung einer Flugel -Rumpf-Anordnung nach Abb. 10.43b kann damit aus der Umstromung der senkrecht an – gestromten ebenen Platte ermittelt werden (Abb. 10.43 c). Die Rechen- verfahren hierfur wurden in Кар. 2.562 angegeben (Joukowskysche Ab – bildungsf unktion).

Nachstehend wird liber einige Ergebnisse berichtet, welche aus Arbeiten von J. R. Spreiter [53] und G. N. Ward [59] entnommen sind, vgl. auch [9] und [17].

J#o

Abb. 10.44. Lastverteilung ttber Spannweite ftir eine Flttgel-Rumpf-Anordnung mit einem Delta – fltigel (Theorie schlanker KOrper), nach [53].

Kurven 1 und 2 ftir die Flttgel-Rumpf-Anordnung; Kurve 1′ fttr den Fltigel allein.

Druckverteilung. Fur Fliigel-Rumpf-Anordnungen, bestehend aus einem Deltafliigel und einem unendlich langen Rumpf mit Kreisquer – schnitt, sind in Abb. 10.44 Druckverteilungen fiir zwei Schnitte 1 und 2

fur R2 < y2 < s2,

und diejenige Tiber den Rumpf:

і – (-ІЦ4 Ф)і

fur 0 < y2 < R2.

quer zur Rumpfachse angegeben. Die Lastverteilung iiber den Fliigel ist:

(10.60b)

Fur den Fliigel allein gilt nach Gl. (10.60a) mit R = 0:

(10.61)

In den Gin. (10.60a), (10.60b) und (10.61) bedeutet у den halben Vorder – kantenwinkel des Fliigels, s(x) = xta, ny die ortliche Halbspannweite und R den Rumpfradius. Die Auftragung der Lastverteilung in Abb.

10.43 zeigt, daB der vom Rumpf verursachte Einbruch in der Druckver – teilung vorn am Fliigel groBer ist als hinten. Zum Vergleich ist fiir den Schnitt 1 auch die Lastverteilung des Fliigels allein eingetragen (Kurvei’).

In Abb. 10.45 sind fur die gleiche Fliigel-Rumpf-Anordnung wie in Abb. 10.44 Lastverteilungen in der Langsrichtung dargestellt, und zwar zunachst fur den Fliigelwurzelschnitt у — R. Der EinfluB des Rumpfes bewirkt, daB der Abfall der Lastverteilung in der Langsrichtung etwas kleiner als beim Fliigel allein ist. AuBerdem sind auch die Lastverteilun­gen fur den Mittelschnitt (y — 0) eingetragen.

Ein Verfahren zur Berechnung der Druckverteilung an schlanken Flugkorpern mit beliebiger GrundriB – und Querschnittsform wurde von D. Hummel [17 a] angegeben.

Auftriebsverteilung. Fur die gleiche Fliigel-Rumpf-Anordnung wie in Abb. 10.44 und 10.45 ist in Abb. 10.46 die Auftriebsverteilung iiber

Abb. 10.46. Auftriebsverteilung uber Spannweite fur eine Fliigel-Rumpf-Anordnung mit einem Deltafliigel, nR — 1/3 (Theorie schlanker Korper), nach [53].

Kurve 1: Flugel + Rumpf; Kurve 2: Fltigel + abgeplatteter Rumpf; Kurve 3: Flugel allein.

Spannweite dargestellt. Die relative Rumpfbreite betragt rR = 1/3. Der durch den Rumpf verursachte Einbruch in der Auftriebsverteilung ist sehr betrachtlich. Ein Beispiel einer Auftriebsverteilung liber die

Rumpflange ist in Abb. 10.47 gezeigt. Bemerkenswert ist, daB der Rmnpf nur im Bereich des Fliigels einen Auftrieb hat. In der Nahe der Fliigel- nase steigt der Rumpfauftrieb sehr steil an; an der Fldgelhinterkante fallt er plotzlich auf Null ab.

Abb. 10.47. Auftriebsverteilung des Rumpfes fiir eine Flilgel-Rumpf-Anordnung mit einem Delta – fltigel (Theorie schlanker Кбгрег), nach [53].

Gesamtauftrieb. Fur Fliigel-Rumpf-Anordnungen, bestehend aus einem Deltafliigel und einem unendlich langen Rumpf mit Kreisquer – schnitt, wurde bereits in Abb. 10.8, Kurve 2, das Verhaltnis von Rumpf­auftrieb Ar zu Gesamtauftrieb A(F+Jj) in Abhangigkeit von der relativen Rumpfbreite rjR nach dieser Theorie angegeben. Der Vergleich der Kurven 2 und 1 in Abb. 10.8 lehrt, daB fiir die bezogenen Werte A*/ A(F+R) die Theorie schlanker Кбгрег nahezu das gleiche Ergebnis liefert wie die Theorie von J. Lennertz [28], die fur beliebige Seitenver – haltnisse gilt. Hieraus folgern wir, daB man die bezogenen Werte von ArIA(F+r) aus der Theorie schlanker Кбгрег auch fiir Fliigel-Rumpf – Anordnungen mit Fliigeln von groBerem Seitenverhaltnis verwenden kann.

Der Gesamtauftrieb fiir die Fliigel-Rumpf-Anordnung nach Abb. 10.46 betragt:

^(F+Я) = 2яoc^q^i – rtlf. (10.62)

Daraus ergibt sich fiir den Auftriebsanstieg, wenn man den Auftriebs – beiwert cA auf die Fliigelflache F = l{s bezieht:

Fur den Fltigel allein (rjR = 0) ergibt sich hieraus

(10.63a)

in Ubereinstimmung mit Gl. (7.121).

In Abb. 10.48 ist das Verhaltnis des Gesamtauftriebs zum Auftrieb des Flugels allein, d. i. A(F+R)IAF, in Abhangigkeit von der relativen

Rumpfbreite rjR als Kurve 1 aufgetragen. Mit wachsendem rjR nimmt das Verhaltnis A(F+R)/AF stark ab und erreicht bei rjR = 1 den Wert Null.

Bei einem vom spitzen Rumpf erfahrt das endlich lange Rumpf – vorderteil gegeniiber dem unendlich langen Rumpfvorderteil nach Gl. (10.7) einen zusatzlichen Auftrieb vom Betrage:

ARt = 2nocOQqOQRl. (10.64a)

Dieses bedeutet gegeniiber dem Wert von Gl. (10.63) eine VergroBerung des Auftriebsanstieges von

<іомь’

Der Auftriebsanstieg einer Fliigel-Rumpf-Anordnung mit vorn spitzem Rumpf ergibt sich also als Summe von Gl. (10.63) und (10.64b) zu:

Hiervon ausgehend ist in Abb. 10.48 das Verhaltnis A(F+R)!AF in Ab – hangigkeit von der relativen Rumpfbreite rjR als Kurve 2 angegeben.

Neutralpunktlage. SchlieBlich mogen in Abb. 10.49 noch einige Ergebnisse uber die Neutralpunktverschiebung durch den Rumpf einfluB mitgeteilt werden. Fur die in Abb. 10.46 dargestellte Fliigel-Rumpf – Anordnung ist die Neutralpunktverschiebung durch RumpfeinfluB gegen – iiber dem Neutralpunkt des Fliigels allein (Ax^/l^p+n) in Abhangigkeit von der relativen Rumpfbreite als Kurve 1 angegeben. Der Neutral­punkt des Fliigels allein liegt nach der Theorie kleinen Seitenverhalt – nisses im Abstand f von der Fliigelspitze. Mit wachsendem rjR riickt der Neutralpunkt nach hinten. Es gilt:

= 2r‘« . (Ю.66)[61]

ІМ (1 +%>2 ‘ ;

Fiir r]R = 1 wird die Neutralpunktverschiebung

(А #у/£Д*ч-д) — у,

d. h. fiir diesen Fall liegt der Neutralpunkt der Fliigel-Rumpf-Anordnung in der Fliigelhinterkante. Dies ist an Hand von Abb. 10.47 leicht einzu – sehen. In Abb. 10.49 ist als Kurve 2 auch die Neutralpunktverschiebung

Abb. 10.49. Neutralpunktver­schiebung von Fltigel-Rumpf – Anordnungen mit einem Delta- flttgel (Theorie schlanker Kor – per), nach [53].

Kurve 1: Fliigel + Rumpf;
Kurve 2: Fliigel + abgeplatte-
ter Rumpf;

Kurve 3: Ersatzfliigel (mit

rechteckigem Mittel – stiick).

angegeben, die man fiir einen,,abgeplatteten Rumpf“ (Hohe Null) er – halt. Der Unterschied gegeniiber Kurve 1 ist verhaltnismaBig gering. Auch in Abb. 10.46 ist fiir den Fall mit abgeplattetem Rumpf die Auf – triebsverteilung iiber Spannweite eingetragen. Zum Vergleich ist in

Abb. 10.49 auch die Neutralpunktverschiebung fiir den Fliigel mit recht – eckigem Mittelstiick (Ersatzflugel) als Kurve 3 eingetragen.

Jetzt moge auch noch der Fall eines Rumpfes mit endlich langem Vorderteil angegeben werden. Das Moment des Rumpfvorderteiles, be – zogen auf die Achse durch den Fliigelneutralpunkt, ist nach den Gin.

R2(x) dx + (xNF — lv) Rq

(10.7) und (10.9a):

Dabei bedeutet lv die Lange des vorderen Rumpfteiles nach Abb. 10.50. und xNF den Abstand des Flugelneutralpunktes von der Rumpfspitze. Der

Abstand xNF — lv ergibt sich leicht zu — (2 — 3 rjR). Die Auswertung von

О

Gl. (10.67) fur einen Rumpf mit Parabelspitze ergibt:

MRv = 2лЛооЧоаВІІ„ (l – Y % + “) • (10.68)»

Dabei ist Ip —

Abb. 10.51. Auitriebsbeiwert in Abhftngigkeit vom Anstellwinkel cA(a) fiir schlanke FlugkOrper
nach Messungen von H. Otto [43 a],

a) Flflgel allcin, A = 1;

b) Riimpfe allein I, II, III: dRm^HR = 0,10; 0,10; 0,05;

c) FlOgel-Rumpf-Anordnungen mit Rumpf II; Be — Uoo IrIv = 7,5 • 10e.

1 Fiir einen Rumpf mit elliptischem Bug ist der Faktor 4/5 bei der Grofie IJli durch 1 zu ersetzen.

Fur die Fliigel-Rumpf-Anordnung mit endlich langem Rumpfvorder – teil ist die Neutralpunktverschiebung gegeniiber dem Fliigel allein:

J x — _ ^(Д+Д)°° + MRv

A(F+R) 00 + Arv

Dabei bedeutet der Index oo die GroBen fur die Flugel-Rumpf-Anord­nung mit dem unendlich langen Rumpf, und zwar А^+д^ nach Gl.

(10.61) und M(F+R)oo = —AxnA(F+r)oo mit AxN nach Gl. (10.66). Die GroBen ARv und MRv sind gegeben durch die Gin. (10.64a) bzw. (10.68). Durch Einsetzen ergibt sich:

М^“ТГІТЇІ(2-5’’’1 + 4’’’"1Й’ (10’69>

Die hiernach berechnete Neutralpunktverschiebung ist in Abb. 10.50 in Abhangigkeit von der relativen Rumpfbreite rjR fur verschiedene Langen des Rumpfvorderteiles lv/lt aufgetragen. Hiernach ist fur kleine Werte von lv/li die Neutralpunktverschiebung A xN positiv (stabilisierend) wie beim unendlich langen Rumpf (Abb. 10.49). Bei groBeren Werten von lv/li uberwiegt jedoch der instabile Beitrag des Rumpfvorderteiles, so daB hier A xN negativ wird.

SchlieBhch mogen noch einige MeBergebnisse mitgeteilt werden, welche die nichtlineare Auftriebscharakteristik cA{<x) fur Korper zeigen. In Abb. 10.51 sind Auftriebsbeiwerte fur drei Fliigel, drei Riimpfe und drei Fliigel-Rumpf-Anordnungen nach unveroffentlichten Messungen von H. Otto [43 a] wiedergegeben. Dabei sind die Auftriebsbeiwerte der Riimpfe (Abb. 10.51b) auf die Fliigelflache bezogen. Fiir die Fliigel allein ist die Uneare Theorie schlanker Korper nach Gl. (10.63 a) eingetragen. In alien drei Fallen (Fliigel, Rumpf, Fliigel-Rumpf-Anordnung) ist die Abweichung von der linearen Theorie betrachtlich.