EinfluB der Flugel-Rumpf-Anordnung auf das Seitenleitwerk

Grundsatzliches. Bei symmetrischer Anstromung eines Flugzeuges riihrt die Beeinflussung des Hohenleitwerkes, wie in Кар. 11.223 ge – zeigt wurde, im wesentlichen vom Abwind des Flugels her. Der Rumpf und die gegenseitige Lage von Flugel und Rumpf (Flugelhochlage) tragen nur wenig zur Beeinflussung bei. In alien Fallen wird jedoch die Wirksamkeit des Hohenleitwerkes durch Flugel und Rumpf ver- mindert.

Wesentlich anders liegen die Verhaltnisse bei der Beeinflussung des Seitenleitwerkes durch Flugel und Rumpf bei unsymmetrischer Anstromung. Hier tritt, wie H. Schlichting [40] gezeigt hat, eine wesentliche Beeinflussung des Seitenleitwerkes nur dann ein, wenn Flugel und Rumpf zusammen vorhanden sind. Die Beeinflussung kann in diesem Fall sowohl eine Erhohung als auch eine Verminderung der Wirksamkeit des Seitenleitwerkes je nach der Hochlage des Flugels zum Rumpf bringen. Die physikalische Ursache fur diese Beeinflussung des Seitenleitwerkes liegt in der stark unsymmetrischen Zirkulations – verteilung langs Spannweite, die nach Abb. 10.6 bei einer Flugel – Rumpf-Anordnung auftritt, und welche das Schieberollmoment in – folge RumpfeinfluB nach Кар. 10.221 hervorbringt. In Abb. 11.45 ist fur eine Hochdeckeranordnung bei Schraganstromung diese anti – metrische Zirkulationsverteilung langs Spann weite dargestellt. Die Auf – triebserhohung auf der vorgehenden und die Auftriebserniedrigung auf der ruckhegenden Flugelhalfte erzeugen auf der Oberseite des Flugels ein Druckgefalle gegen die vorgehende Flugelhalfte. Dieses Druck – gefalle erzeugt nach Abb. 11.45d eine induzierte Stromung, welche den Rumpf umkreist. Diese am Flugel induzierte Geschwindigkeit ist in etwa gleicher GroBe auch am Seitenleitwerk als induzierte Seiten – geschwindigkeit vorhanden. Man ersieht aus Abb. 11.45d sofort, daB fur die ubliche Lage des Seitenleitwerkes durch die induzierte Seiten – geschwindigkeit v der Anstromwinkel des Seitenleitwerkes verkleinert wird, d. h. seine Wirksamkeit vermindert wird. Beim Tiefdecker ist nach Abb. 10.6d das Vorzeichen der induzierten Seitengeschwindigkeit entgegengesetzt zu dem des Hochdeckers, was bei gleicher Lage de3

Seitenleitwerkes zum Rumpf eine VergroBerung seiner Wirksamkeit bedeutet. GemaB ihrer Entstehung ist die von der Fliigel-Rumpf – Interferenz herriihrende induzierte Seitengeschwindigkeit proportional dem Schiebewinkel /9 und unabhangig vom Anstellwinkel <%.

Die resultierende Geschwindig – keit in y-Richtung am Ort des Leit- werkes ist :

Vy = pUoo + vg + fivp. (11.70)

Hierbei bedeutet /9 die vom Schiebewinkel herriihrende Seiten­geschwindigkeit, vg die induzierte Seitengeschwindigkeit bei symmetri – scher Anstromung und fivp die zu – satzliche induzierte Seitengeschwin­digkeit infolge Schiebens nach Abb. 11.45d. Der wirksame Schiebewinkel des Seitenleitwerkes ist:

Ps=jfL=P+V-L^e – (11-71)

U OQ U 00

Damit wird der Wirkungsfaktor des Seitenleitwerkes:

5 = 1+^, (11.72)

dp U oo

weil Vg unabhangig von /5 ist. Wegen

legungen sind in Abb. 11.46b einige Messungen des Wirkungsfaktors fur die in Abb. 11.46a dargestellte Flugel-Rumpf-Seitenleitwerks-Anordnung mitgeteilt. Aus Messungen des Schiebegiermomentes mit und ohne Seitenleitwerk, (mS) bzw. (oS), ist

ein mittlerer Wirkungsfaktor des Seitenleitwerkes nach W. Jacobs [15] durch die Beziehung:

Abb. 11.46. Wirkungsfaktoren des Seitenleitwerkes fur Hoch-, Mittel – und Tiefdecker bei verschiedener

Hochlage des Seitenleitwerkes.

a) Geometrie; b) gemessene Wirkungsfaktoren nach [15]; c) theoretische Wirkungsfaktoren nach

Jacobs [15].

ermittelt worden, wobei {dcNjd^)s der Giermomentenbeitrag des Seiten­leitwerkes allein ist.[71] Dieser experimentell ermittelte Wirkungsfaktor ist in Abhangigkeit von der Hochlage des Seitenleitwerkes angegeben. Es ergibt sich:

Tiefdecker: ^ > 1

dp

Hochdecker: < 1

dj)

Damit werden die vorstehenden Gberlegungen bestatigt.

Theoretische Berechnung des induzierten Seitenwindes. Die Berechnung der Verteilung der induzierten Seitengeschwindigkeit kann grundsatzlich ebenso wie die des Abwindes mit Hilfe des Biot-Savartschen Gesetzes ausgefiihrt werden, wenn die Zirkulationsverteilung des Flugels bekannt ist. Bevor wir hierauf eingehen, mogen einige qualitative Betrachtungen vorausgeschickt werden. In Abb. 11.47 sind eine symmetrische und eine antimetrische Zirkulationsverteilung nebeneinandergestellt. Wegen der konstant angenommenen Zirkulationsverteilung hat man bei der sym – metrischen Zirkulationsverteilung in Abb. 11.47 a einen Hufeisenwirbel und bei der antimetrischen Zirkulationsverteilung in Abb. 11.47 b zwei Hufeisenwirbel mit ent – gegengesetzt drehenden Wirbeln. Man sieht anschaulich sofort ein, daB sich in der Mittelebene у = 0 bei der symmetrischen Zirkulationsverteilung eine Abwarts – geschwindigkeit — w und bei der antimetrischen Zirkulationsverteilung eine Seiten­geschwindigkeit ±0 ergibt, welche auf Ober – und Unterseite entgegengesetztes

Vorzeichen hat. Die letztere ruhrt im wesentlichen von dem linksdrehenden „Dop – pelwirbel“ her, welcher in der Mitte abgeht. Zu einer quantitativen Ermittlung der induzierten Seitengeschwindigkeit reicht dieses stark idealisierte Wirbelmodell jedoch nicht aus.

Abb. 11.47. Zur Ermittlung der induzierten Seitengeschwindigkeit. a) Symmetrische Zirkulationsverteilung; b) antimetrische Zirkulationsverteilung.

Um zu einer Berechnung des induzierten Seitenwindes zu gelangen, mu В man eine veranderliche Zirkulationsverteilung Г(у) zugrunde legen, wie sie z. B. fur eine schiebende Fliigel-Rumpf-Anordnung in Abb. 11.45 c dargestellt ist. Die induzierte Seitengeschwindigkeit sehr nahe der Wirbelschicht erhalt man nach Abb. 11.48 sofort aus der tJberlegung, daB die Zirkulation fur einen Schnitt у des Fliigels gleich der Zirkulation um denjenigen Teil der Wirbelflache ist, der zwischen dem betrachteten Schnitt und dem Flugelende liegt. Dies ergibt:

Г(у)= j Vyody+ j V^dy. (11.73)

s у

Hierin bedeutet Vyo und Vyu die Seitengeschwindigkeit auf der Ober – bzw. Unter – seite der Wirbelschicht. Unter Einfuhrung von Gl. (11.70) und unter Beachtung der Tatsache, daB die induzierte Geschwindigkeit v — vg + pv# beim Durchgang durch die Wirbelschicht z = zx die Bedingung v0 = —vu erfiillt, ergibt sich aus Gl. (11.73) durch Differentiation fur die induzierte Seitengeschwindigkeit:

v0,u = (fur z = zl), (11.74)

2 dy

wobei das obere Vorzeichen oberhalb und das untere unterhalb der Wirbelschicht gilt.

Die Giiltigkeit dieser Gleichung erkennt man auch aus Abb. 11.45 c und d. Dort ist fiir у — 0 die Neigung der Zirkulationsverteilung eingetragen und das Vorzeichen der Seitengeschwindigkeit v vermerkt.

Den induzierten Seitenwindwinkel = vjUerhalt man aus Gl. (11.74) durch Einfuhrung der dimensionslosen Zirkulationsverteilung у = r/bUoo und der dimensionslosen Koordinate in Spannweitenrichtung r — y[s zu:

A = ± (fiir£ = ti). (ІІ.75)

at]

Abb. 11.48. Eriauterungsskizze zur Berechnung der induzierten Seitengeschwindigkeit in der Wirbel schicht hinter einem Tragflugel.

Wenn man fiir die Zirkulationsverteilung den Ansatz

Y(n) = Vg(n) + Pyf>(v) (11.76)

einfuhrt, wobei yg die Verteilung beim Geradeausflug und fiy^ die Zusatzverteilung beim Schiebeflug ist, so erhalt man aus Gl. (11.75) fiir den Wirkungsfaktor des

9———-

Abb. 11.49. Zusatzliche Zirkulationsverteilung langs Spannweite infolge Schiebens.

Kurve 1: Fliigel allein, ohne V-Stellung; Kurve 2: Fliigel allein, mit 6° V-Stellung; Kurve 3: Fltigel + Rumpf (Hochdecker), b/D — 7,5 .

Seitenleitwerkes in der Wirbelschicht:

^f = l±§^ (C=f i). (11-77)

dp dr

Die Herleitung von Gl. (11.73) und Abb. 11.48 lehren, daB die Gin. (11.74), (11.75) und (11.77) bei nicht aufgerollter Wirbelschicht fiir jeden Abstand hinter dem Fliigel gelten.

Wie man aus Gl. (11.77) sieht, andert sich der Wirkungsfaktor beim Durchgang durch die Wirbelschicht sprunghaft. Die GroBe dy^dr} ist aus der Zirkulationsver – teilung des schiebenden Fliigels bzw. der schiebenden Fliigel-Rumpf-Anordnung zu entnehmen. In Abb. 11.49 sind vergleichsweise die y^-Verteilungen fiir einen Fliigel allein ohne V-Stellung (Kurve 1), fur einen Fliigel allein mit 6° V-Stellung (Kurve 2) und fiir eine Hochdeckeranordnung ohne V-Stellung (Kurve 3) aufgetragen. Man erkennt hieraus, daB der Anted des Fliigels ohne V-Stellung ganz unbedeutend ist. Aber auch der Anteil des Fliigels mit V-Stellung tritt im Bereich der Fliigelmitte, die hauptsachlich interessiert, noch stark gegeniiber dem vom RumpfeinfluB her – riihrenden Beitrag zuriick.

Abb. 11.50. Seitenwindfaktoren einer Fliigel-Rumpf-Anordnung nach [15], gerechnet nach der

einfachen Traglinientheorie.

a) Zusatzliche Zirkulationsverteilung der Hochdecker-Anordnung, b/D — 7,5. Rechteckfliigebl = 5;

b) Stromlinienbild des induzierten Geschwindigkeitsfeldes; c) Verteilung des Seitenwindfaktors iiber Hohe in der Mittelebene у = 0; d) Verteilung des Seitenwindfaktors tiber Spannweite fiir ver-

schiedene Hoehlagen.

Mit der Berechnung der induzierten Seitengeschwindigkeit aufierhalb der Wirbelschicht haben sich W. Jacobs und E. Truckenbrodt [15] befaBt. Durch Anwendung des Biot-Savartschen Gesetzes erhalt man fiir den induzierten Seiten- windwinkel bei vorgegebener Zirkulationsverteilung у (rj) nach der Traglinientheorie

2(1?-V) (С – Ci) Л S-& T + (C – Cl)2]2 Г /

(n -1?’) (c – Сі) с – c;

(Ч – >?’)2 + (C – Ci)2 r3 .

mit r nach Gl. (11.34a). Fur ungepfeilte Fliigel und sehr groBen Abstand (£ —> oo) wurde von W. Jacobs [15] ein einfaches Auswertungsverfahren angegeben. Mit der Losung fur beliebige Fliigelgrundrisse hat sich K. Gersten [11] befaBt.

Fur groBere Abstande hinter dem Fliigel geniigt es, mit den Werten fur f -> oo zu rechnen.

AbschlieBend seien jetzt noch die Ergebnisse einiger Beispielrechnungen mit – geteilt. In Abb. 11.50 ist das induzierte Seitenwindfeld fur eine Hochdeckeranord – nung angegeben. Abb. 11.50a zeigt die Geometrie und die zusatzliche Zirkulations – verteilung infolge des Schiebens. Abb. 11.50b gibt das Stromlinienbild des indu – zierten Geschwindigkeitsfeldes sehr weit hinter dem Fliigel wieder. Abb. 11.50c zeigt

die Verteilung des Seitenwindfaktors dpjdfi in Abhangigkeit vom Abstand von der Wirbelschicht fur die Mittelebene rj = 0. Diese Abbildung laBt den Sprung des Seitenwindfaktors in der Wirbelschicht C = Ci und einen starken Abfall mit dem Ab­stand von der Wirbelschicht erkennen. Abb. 11.50d gibt die Verteilung des Seiten­windfaktors in Spannweitenrichtung fur verschiedene Abstande von der Wirbel­schicht an.

In Abb. 11.51 sind fur einen Hochdecker und fur einen Tiefdecker in der Quer – ebene am Ort des Seitenleitwerkes die Kurven konstanten ortlichen Wirkungsfaktors des Seitenleitwerkes, dfis/dfi — const, dargestellt. Der Gesamtwirkungsfaktor des Seitenleitwerkes wird hieraus durch Integration iiber die Leitwerkshohe erhalten. Wahrend das Feld der Kurven dps/dp = const unabhangig vom Anstellwinkel des Flugzeuges ist, ergibt sich jedoch eine Abhangigkeit des Wirkungsfaktors des Seitenleitwerkes vom Anstellwinkel dadurch, daB sich die Wirbelflache mit Anderung des Anstellwinkels relativ zum Seitenleitwerk verlagert, vgl. Abb. 11.21. Dieser EinfluB ist ziemlich betrachtlich, wie sich aus Abb. 11.51 ergibt, wo die Falle cA = 0 und cA = 1 wiedergegeben sind.

Fur die Anordnungen von Fltigel, Rumpf und Seitenleitwerk in Abb. 11.46a wurden nach diesem Verfahren von W. Jacobs [15] theoretisch die Wirkungs – faktoren ermittelt (Abb. 11.46 c). Die Dbereinstimmung mit den Messungen in Abb. 11.46 b ist befriedigend.

Mit dem Problemkreis der gegenseitigen Beeinflussung von Fltigel, Rumpf und Seitenleitwerk beim Schieben hat sich auch H. J. Puffert [32] befaBt. Die dar – gelegten Vorstellungen tiber den induzierten Seitenwind wurden von W. H. Michael

[27] und P. J. Bobbitt [4] auf den rollenden Fltigel tibertragen.