Aerodynamik des Hohenleitwerkes

11.21 Beitrag des Hohenleitwerkes zur Luftkraft des ganzen Flugzeuges

11.211 Flugzeug im Geradeausflug. Der am Hohenleitwerk angrei – fende Auftrieb bringt einen betrachtlichen Beitrag zum Nickmoment des ganzen Flugzeuges, weil sein Hebelarm gegenuber der Fliigeltiefe groB ist, vgl. Abb. 11.1. Sei AH der Auftrieb des Hohenleitwerkes und r’H der Abstand dieser Auftriebskraft von der Momentenbezugsachse (die im allgemeinen mit der Querachse durch den Flugzeugschwerpunkt zusammenfallt), so ist nach Abb. 11.5 der Beitrag des Hohenleitwerkes

Abb. 11.5. Beitrag des Hohenleit-
werkes zum Nickmoment (schema-
tisch).

S. P. = Schwerpunkt des Flug-
zeuges ;

G = Gewicht des Flugzeuges.

zum Nickmoment des ganzen Flugzeuges

MH = —r’HAH, (11-1)

wobei das Nickmoment schwanzlastig positiv gerechnet wird. Hierbei ist der Beitrag der Tangentialkraft des Hohenleitwerkes zum Nick­moment vernachlassigt worden, was bei geringer Hochlage des Leitwerkes gegen die Rumpfachse zulassig ist.

Wir fiihren nun weiterhin fiir den Auftrieb AH und den Momenten – beitrag MH des Hohenleitwerkes dimensionslose Beiwerte ein durch i[63]

Ah = Сан]?нЯ. ні (H-2)

MH — (11*3)

Ik

l*

Dabei bedeutet qH den Staudruck am Ort des Leitwerkes, der im all – gemeinen infolge der Beeinflussung des Leitwerkes durch Fliigel und Rumpf kleiner ist als der Flugstaudruck q (= Staudruck der unge – storten Stromung). Der auf die FliigelgroBen bezogene Momentenbeiwert des Leitwerkes ergibt sich somit aus den Gin. (11.1), (11.2) und (11.3) zu:

Der Auftriebsbeiwert des Hohenleitwerkes caH hangt auBer von den geometrischen Daten des Hohenleitwerkes noch vom Anstellwinkel <xH ™d vom Hohenruderausschlag rjH ab, vgl. Abb. 11.6a. Es gilt fur den Auftriebsbeiwert des Hohenleitwerkes:

Dabei bedeutet dcaHldocH den Auftriebsanstieg des unbeeinfluBten Hohenleitwerkes und (docHldrjH) rjH die Anderung der Nullauftriebs- richtung des Hohenleitwerkes infolge Ruderausschlag. Fiir das ebene Problem des Klappenfliigels wurde dieser Beiwert in Abb. 6.20a in Ab – hangigkeit vom Rudertiefenverhaltnis angegeben; weiteres hieriiber in Кар. XII.

Im allgemeinen ist die Zustromrichtung des Hohenleitwerkes er- hebhch verschieden von derjenigen des Fliigels, weil das Leitwerk von Flugel und Rumpf stark beeinfluBt wird und im Abwind des Fliigels liegt (Interferenz).

Die Zustromrichtung des Fliigels und des Hohenleitwerkes unter – scheiden sich nach Abb. 11.6a durch den Abwindwinkel ocw = wjV, der von Flugel und Rumpf am Ort des Leitwerkes induziert wird. Hier – bei bedeutet w < 0 Abwind und w > 0 Auf wind. Fiir den Anstell­winkel des Hohenleitwerkes gilt:

= a + «я + «і», (11-6)

wobei eH den Einstellwinkel des Hohenleitwerkes gegen die Fliigel – sehne und ос den Anstellwinkel des Fliigels bedeutet. [64]

Somit ergibt sich fur den Beitrag des Hohenleitwerkes zumNickmoment bei nicht ausgeschlagenem Hohenruder (rjH — 0) aus den Gin. (11.4), <11.5) und (11.6):

. _ dcaH qH FH г’н /Ц n

CMH — — ~ (л “г Єн "г ocw) — — • (11*7)

аосн q Л Ifx

Dabei ist r’H der Abstand des Neutralpunktes des Hohenleitwerkes von der Momentenbezugsachse des Flugzeuges. Hieraus erhalt man fur die

Abb. 11.6. Zur Aerodynamik des Hohenleitwerkes beim Geradeausfiug. Ntb = geometrischer Neutralpunkt; N ■= aerodynamischer Neutralpunkt.

a) AnstrOmrichtung des Hohenleitwerkes, &н — л + вн + л*>

b) Luftkr&fte am Flilgel und am HOhenleitwerk.

Momentenanderung mit dem Anstellwinkel bei festgehaltenem Ein – stellwinkel des Hohenleitwerkes (StabilitatsmaB) :

I^cmh _ _ dcaH Л ^осЛ ][н_ £я щ gu

д (x /ея=const docg doc) q F Іц

Wir bezeichnen die GroBe als Wirkungsfaktor des Hohenleitwerkes. Fur die Momentenanderung mit dem Einstellwinkel des Hohenleitwerkes bei festgehaltenem An – 1

stellwinkel ergibt sich aus Gl. (11.7):

Der Vergleich der Gin. (11.8) und (11.9) lehrt, daB die Momenten- anderung mit dem Anstellwinkel (Stabilitatsbeitrag des Hohenleit – werkes) von der Interferenz zwischen Fltigel und Hohenleitwerk ab – hangig ist, und zwar dem Wirkungsfaktor des Hohenleitwerkes досд/дос = (1 + #ocwldoc) proportional ist. Der Wirkungsfaktor des Hohenleit­werkes ist, wie spater noch genauer gezeigt wird, im allgemeinen erheb – lich kleiner als Eins. Die Momentenanderung mit dem Einstellwinkel des Hohenleitwerkes (Steuerung) dagegen wird von der Interferenz nicht beeinfluBt, wenn man von dem Staudruckverhaltnis qHjq absieht.

Wiinscht man den Beitrag des Hohenleitwerkes zum Auftrieb des ganzen Flugzeuges anzugeben, so ist es zweckmaBig, analog zu Gl. (11.3) den Auftriebsbeiwert des Hohenleitwerkes zu definieren durch:

Ah — cahF 9-

Analog zu Gl. (11.7) folgt:

(11.11)

Fur die partiellen Ableitungen von caH nach oc und eH gilt das bereits im AnschluB an Gl. (11.7) Gesagte.

Bei den bisherigen Betrachtungen iiber den Beitrag des Hohenleit­werkes zum Nickmoment und zum Auftrieb des ganzen Flugzeuges wurden die betreffenden Beiwerte in Abhangigkeit vom Anstellwinkel des Flugzeuges und vom Einstellwinkel des Hohenleitwerkes untersucht. Fur manche Aufgaben dagegen ist es zweckmaBig, den Beitrag des Leitwerkes zum Anstellwinkel und zum Nickmoment in Abhangigkeit vom Auftriebsbeiwert des ganzen Flugzeuges und vom Einstellwinkel des Hohenleitwerkes zu kennen.

Der Auftriebsbeiwert des ganzen Flugzeuges setzt sich zusammen aus demjenigen des Flugzeuges ohne Hohenleitwerk cAoE und dem Beitrag des Hohenleitwerkes cAH, d. h. es gilt:

CA — cAoH + CAH-

Somit ergibt sich fur den Auftriebsanstieg des ganzen Flugzeuges ohne Benicksichtigung des Einflusses des Leitwerkes auf den Fliigel bei fest- gehaltenem Einstellwinkel des Hohenleitwerkes nach Gl. (11.11):

(11.12)

Die gesuchte Anderung des Anstellwinkels mit dem Auftriebsbeiwert des ganzen Flugzeuges ist gleich dem Reziprokwert der rechten Seite von Gl. (11.12).

Die Anstellwinkeldnderung infolge des Einstellwinkels des Hohen­leitwerkes bei konstant gehaltenem Auftriebsbeiwert des ganzen Flug­zeuges ergibt sich zu:

(11.13)1

Dabei ist der zweite Faktor durch Gl. (11.11) gegeben.

Ftir das ganze Flugzeug existiert ebenso wie fur den Fliigel allein ein Neutralpunkt, d. h. ein Punkt, in welchem die vom Anstellwinkel abhangige Auftriebskraft des ganzen Flugzeuges angreift, man vgl. hierzu Кар. 5.32. Wir bezeichnen nach Abb. 11.6b den Abstand des Neutralpunktes des ganzen Flugzeuges vom Neutralpunkt des Flug­zeuges ohne Leitwerk mit (xN)H. Dieser Abstand ist identisch mit der Neutralpunktverschiebung durch das Hohenleitwerk. Es lafit sich diese Neutralpunktverschiebung durch das Hohenleitwerk (xN)H nach Abb. 11.6b aus dem Momentengleichgewicht um den Neutralpunkt NoH des Flugzeuges ohne Leitwerk ermitteln:

{xn)hA — (rH)NAH.

Hierin bedeutet (rH)N den Abstand des Neutralpunktes des Leitwerkes vom Neutralpunkt des Flugzeuges ohne Leitwerk. Es ergibt sich:

Fiihrt man hier die Gin. (11.11) und (11.12) ein, so erhalt man schlieB – lich fur die Neutralpunktverschiebung durch das Hohenleitwerk:

to

und

gilt, wobei dcA]deH = dcAH/deH ist.

In dieser Gleichung gibt der erste Bruch auf der rechten Seite an, um welchen Prozentsatz des Leitwerkshebelarmes der Neutralpunkt des Flugzeuges gegeniiber dem Neutralpunkt des Flugzeuges ohne Leit – werk durch das Hohenleitwerk nach hinten verschoben wird. In vielen Fallen kann im Nenner dieses Bruches der zweite Summand gegeniiber dem ersten vernachlassigt werden. Die Neutralpunktlage des ganzen Flugzeuges ergibt sich aus der Neutralpunktlage des Fliigels allein (Кар. VII und VIII), der Neutralpunktverschiebung durch den Rumpf (einschlieBlich der Fliigel-Rumpf-Beeinflussung, Кар. X) und der vor – stehenden Neutralpunktverschiebung durch das Leitwerk.

Aus der Neutralpunktverschiebung infolge des Hohenleitwerkes, wie sie in Gl. (11.14) ermittelt wurde, erhalt man sofort die Anderung des Momentenbeiwertes des Hohenleitwerkes in Abhangigkeit vom Auftriebsbeiwert nach Gl. (5.51) in der Form:

№cmh _ _ (xn)h

дсл I Вд = COnst Ifi

SchlieBlich moge noch die Anderung des Momentes infolge des Einstell – winkels des Hohenleitwerkes bei festgehaltenem Auftriebsbeiwert des ganzen Flugzeuges ermittelt werden. Hierbei handelt es sich um ein freies Moment, da der Gesamtauftrieb nicht geandert wird. Nach Abb. 11.6b gilt :

MH = — (r’E)NAH,

wobei AH der Auftrieb des Hohenleitwerkes infolge der Anderung des Einstellwinkels des Hohenleitwerkes und (r’H)N der Abstand des Neutral – punktes des Hohenleitwerkes vom Neutralpunkt des ganzen Flugzeuges ist. Es gilt nach Abb. 11.6b:

(th)n — (th)n — (xn)h•

Somit ergibt sich unter Beachtung von Gl. (11.11):

Ід°мн __ _ dcaE qH FH (r’H)N

&єн /cj=const d(xE q F Ifi

Dieser Wert ist auch gleich (дсмІдєн)Сл=const – Aus Abb. 11.2b konnen die beiden Beiwerte nach den Gin. (11.15) und (11.17) entnommen werden, und zwar der erstere als die Differenz der Neigungen der Kurven cM (cA) mit und ohne Leitwerk und der letztere aus den Kurven mit ver- schiedenem Einstellwinkel eH des Hohenleitwerkes.

Bei der Auswertung der vorstehenden Formeln fur den Beitrag des Hohenleitwerkes zum Auftrieb und Moment erfordern das Stau – druckverhaltnis qH/q und der Anstellwinkel des Hohenleitwerkes (xH
noch eine besondere Betrachtung, da sie stark von der Interferenz zwischen Flugel und Leitwerk abhangig sind. Der Anstellwinkel des Hohenleitwerkes ocH wird nach Gl. (11.6) maBgeblich bestimmt von dem induzierten Abwindwinkel ocw, welchen der Flugel am Ort des Hohenleitwerkes erzeugt. In Abb. 11.7a ist der Verlauf von ocH in

ccH(xJ

Abb. 11.7. Anstellwinkel des Hohenleitwerkes a) fdr Geradeausflug; b) bei Nickbewegung mit der Drehgeschwindigkeit шу.

Abhangigkeit von der Rucklage des Leitwerkes hinter dem Flugel quahtativ dargestellt unter der Annahme, daB die Hohenleitwerkssehne parallel zur Fliigelsehne ist (eH = 0). An der Flugelhinterkante ist ocH = 0, weil dort wegen der kinematischen Stromungsbedingung am Flugel oc + ocw = 0 sein muB. Mit wachsendem Abstand von der Flugel­hinterkante nimmt ocH zu und erreicht mit groBem Abstand einen konstanten Wert, der erheblich kleiner als oc ist. Die Verteilung von ocw und damit auch diejenige von ocH hinter dem Flugel laBt sich nach der Tragfliigeltheorie berechnen. Hieruber wird im folgenden berichtet werden.

Der Auftriebsanstieg des Hohenleitwerkes dcaHldocH fur das so – genannte,,freifahrende Hohenleitwerk“ wird nach der Tragfliigel – theorie ermittelt.

11.212 Flugzeug bei Nickbewegung. Bisher wurde ledighch der Ein – fluB des Anstellwinkels des Flugzeuges auf die Aerodynamik des Hohen­leitwerkes betrachtet. Daneben hat aber auch die Drehbewegung des Flugzeuges um die Querachse fur die Aerodynamik des Hohenleitwerkes eine besondere Bedeutung. Fuhrt das Flugzeug eine Drehbewegung mit der Drehgeschwindigkeit coy um die Querachse aus, so entsteht dadurch nach Abb. 11.7b fur das Hohenleitwerk eine Anstellwinkelverteilung ocH, die mit dem Abstand von der Drehachse linear zunimmt. Dabei ist der am Ort des Hohenleitwerkes mit dem Abstand r’H von der Drehachse hervorgerufene Anstellwinkel des Hohenleitwerkes:

wobei V die Fluggeschwindigkeit bedeutet. Um die aerodynamischen Beiwerte des Hohenleitwerkes in Abhangigkeit von der Drehgeschwindig­keit der Nickbewegung anzugeben, ist es zweckmaBig, die dimensions – lose Nickwinkelgeschwindigkeit

■Jl-

II

cT

(11.18)

nach Gl. (5.54) einzufiihren. Damit ist

ocH = Oy^-. h

(11.19)

Ftihrt man diesen Ausdruck fur ccH in Gl. (11.5) und die so entstehende Formel weiterhin in Gl. (H.4) ein, so erhalt man fiir die Anderung des Momentenbeiwertes mit der Nickwinkelgeschwindigkeit:

дсмн dcaH qH FH t dtxjj q F

fr’Hy

(11.20)

Man nennt diesen Beiwert den Beitrag des Hohenleitwerkes zur Nick – dampfung, Der Vergleich dieser Formel mit Gl. (11.8) zeigt, daB der Beitrag des Hohenleitwerkes zur Stabilitat bezughch der geometrischen Daten zu (FH/F) • (гд/^) und derjenige zur Dampfung zu (FH/F) • (гд/^)2 proportional ist.